Zum Geleit
„Da mosaisch, zu den Rigorosen nicht zugelassen“.
Mit diesem Hinweis wurde nach dem ‚Anschluss‘ Österreichs dem jüdischen Studenten Karl Löwy, der wenige Wochen vor dem Einmarsch der Wehrmacht seine Doktorarbeit an der Hochschule für Welthandel eingereicht hatte, die Promotion verwehrt. Ab der zweiten Märzhälfte 1938 betrieben die Nazis die systematische Verfolgung von ihnen nicht genehmen Studierenden, Dozenten und Verwaltungsangestellten. Vor allem Jüdinnen und Juden wurden am Betreten des Hochschulgebäudes, an Aufnahme oder Fortführung ihrer Studien, an der Ablegung von Prüfungen oder an der Ausübung ihres Berufes an der ‚Welthandel‘ gehindert. Auch einige deklarierte Anhänger des untergegangenen Christlichen Ständestaats wurden verfolgt. Zumindest zwei Absolventen der Hochschule verloren bereits erworbene akademische Grade. Ausländische Studierende gerieten ebenfalls ins Visier der neuen Machthaber. Nach und nach verschwanden ihre Namen aus den Matrikellisten.
Mit diesem Gedenkbuch erinnert die Wirtschaftsuniversität Wien als Nachfolgerin der Hochschule für Welthandel an das Schicksal der Verfolgten. Für sie und ihre Angehörigen bedeutete die unverschuldete Vertreibung einen biographischen Einschnitt von großer Tragweite. Einigen exmatrikulierten Studierenden gelang die Auswanderung. Viele der Verbleibenden haben nationalsozialistische Herrschaft und Zweiten Weltkrieg überlebt. Andere fielen der Vernichtung durch das NS-Regime zum Opfer.
Die WU bedauert zutiefst die aktive und passive Beteiligung der Hochschule für Welthandel an der Ausgrenzung und Vertreibung zahlreicher Menschen, die bis zum ‚Anschluss‘ Österreichs loyale Studierende oder Mitarbeiter waren. Sie ist sich ihrer Verantwortung bewusst und versteht die Aufarbeitung ihres Anteils an den Vertreibungen als eine moralische Verpflichtung gegenüber den Betroffenen und ihren Nachfahren. Deshalb wird diese Datenbank eingerichtet. Auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstandes dokumentiert sie Einzelschicksale. Bei den Einträgen sollte man sich vergegenwärtigen, dass die wenigen bisher verfügbaren Daten nur einen Bruchteil dessen widerspiegeln, was den Opfern der Verfolgung widerfahren ist.
Das Gedenkbuch ist für Ergänzungen offen. Die Öffentlichkeit ist eingeladen, der Redaktion weitere Hinweise, Dokumente oder Abbildungen zu den betroffenen Menschen in elektronischer oder nicht-elektronischer Form zukommen zu lassen. In diesem Sinn stellt die Datenbank ein demokratisches Instrument zur Erweiterung unseres Wissens über das Gewaltregime des ‚Dritten Reiches’ dar. Sie hält die Erinnerung an Opfer der nationalsozialistischen ‚Menschenjagd‘ aufrecht. Zugleich versteht sie sich als Mahnung gegen Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus: Das Schicksal der vertriebenen Studierenden, Lehrenden und Angestellten der Hochschule für Welthandel weist darauf hin, wie wertvoll eine demokratische und pluralistische Gesellschaft ist, die sich für menschenwürdige Lebensumstände einsetzt.