Zacharias Murmelstein

  • Geb. am} 17.0.1913
  • Geburtsort: Lemberg (Lwow), Polen
  • Kategorie: Diplomstudiengang
  • Heimatberechtigung: Drohobycz (Drohobycz), Polen
  • Staatsbürgerschaft: Polen

Im Anschluss an den Besuch eines Gymnasiums und zwei Semestern an der Hochschule für Außenhandel Lemberg/Lwów war Zacharias Murmelstein im Wintersemester 1937/38 und Sommersemester 1938 an der Hochschule für Welthandel in Wien inskribiert. Nach dem 'Anschluss' Österreichs hat der jüdische Student allerdings nicht mehr am Studienbetrieb oder an Prüfungen teilnehmen können. Schon am 18. März 1938, also nicht einmal eine Woche nach dem Einmarsch der Wehrmacht, hat er seine Wohnung in der Nußdorferstraße 42/1/2/12 (9. Wiener Gemeindebezirk) aufgegeben und ist nach Lemberg zurückgekehrt. Seine letzte Prüfung an der Hochschule für Welthandel war die Erste (allgemeine) Prüfung, die er im Februar 1938 abgelegt hat.

Nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen wurde er zunächst verhaftet, bald aber freigelassen, weil Lemberg im Hitler-Stalin-Pakt der Sowjetunion zugesprochen worden war. 1940 wurde er mit seiner Mutter Debora (geborene Geyer) von den sowjetischen Behörden nach Alma Ata (heute: Almaty, Kasachstan) verschickt. 1941, im Jahr des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, meldete sich Zacharias zur Roten Armee. Nach Kriegsende kehrte er zunächst nach Polen zurück, emigrierte aber schließlich nach Palästina und ließ sich in Israel nieder. Hier hebraisierte er seinen Nachnamen in Mor.

Zacharias war der jüngere Bruder des Wiener Rabbiners Benjamin Murmelstein. Dieser gehörte der Israelitischen Kultusgemeinde an und wurde nach dem 'Anschluss' Österreichs Mitglied des Judenrats von Wien - also jener jüdischen Organisation, die von den Nationalsozialisten zur Mitarbeit an der Deportation der jüdischen Bevölkerung in die Vernichtungslager gezwungen wurde. Nach der Deportation ins Ghetto Theresienstadt/Terezín fungierte Benjamin Murmelstein zunächst als Stellvertreter des Judenältesten dieses Konzentrationslagers im Protektorat Böhmen und Mähren, Paul Eppstein. Nachdem Eppstein Ende September 1944 von SS-Männern erschossen worden war, wurde er Judenältester von Theresienstadt. Auch in dieser Funktion versuchte Murmelstein, die Kooperation mit den Schergen des NS-Staates mit dem Bemühen zu vereinbaren, möglichst viele Jüdinnen und Juden vor dem Tod durch Vernichtung zu bewahren. Der Antisemitismus-Forscher Jonny Moser (10. Dezember 1925 bis 23. Juli 2011) hielt über ihn fest: "Murmelstein war gewiß kein hilfsbereiter Mensch, aber er war auch kein Kollaborant." (Moser 1992, S. 94) Das mehrtägige Interview, das der französische Regisseur Claude Lanzmann 1975 mit Benjamin Murmelstein in Rom führte, wurde 2013 mit dem Dokumentarfilm Le dernier des injustes in die Kinos gebracht. Einige Ausschnitte des Interviews sind auch zugänglich über das Steven Spielberg Film and Video Archive.

Die Mutter der Brüder Murmelstein fiel dem Holocaust zum Opfer: Debora wurde im Juli 1941 umgebracht.

 

Autor: Johannes Koll

Quellenhinweise

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Karteikarte und Alte Prüfungsliste.
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA 8 – B-MEW – 297776/2013.
E-Mail von Dr. Wolf Murmelstein (Ladispoli, Italien) an Dr. Johannes Koll vom 8. und 11. Juni 2013.
Jonny Moser: Dr. Benjamin Murmelstein, ein ewig Beschuldigter?, in: Miroslav Kárný/Margita Kárná (Hrsg.): Therensienstadt in der „Endlösung der Judenfrage“, Prag 1992, S. 88-95.
Yad Vashem: The Central Database of Shoah Victims' Names, http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=en [30. August 2013].

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