Dr. Johann (Hanns) Porias

  • Geb. am} 2.0.1903
  • Geburtsort: Graz
  • Kategorie: Diplomstudiengang
  • Heimatberechtigung: Wien (Wien), Österreich
  • Staatsbürgerschaft: Deutsches Reich / Ostmark / Österreich

Hanns Porias war Sohn von Dr. Ernst Porias (31. August 1871 bis 15. Februar 1954), Senatspräsident am Oberlandesgericht Graz, und von dessen Frau Margarethe (1. August 1879 bis 10. November 1943).

Nach dem Besuch einer Volksschule und des Akademischen Gymnasiums in Graz belegte Hanns den Abiturientenkurs der Handelsakademie Graz. An der Universität Graz erwarb er den Doktorgrad in Jus. Wie er nach dem Zweiten Weltkrieg selber betonte, hat er in den Semesterferien im Büro eines Kohlenwerks gearbeitet (Lebenslauf vom 9. September 1946).

Im Oktober 1925 trat Porias in den Gerichtsdienst ein. Ein Jahr später bestand er mit Auszeichnung die Richterprüfung. Seit Anfang 1929 arbeitete er zunächst in Graz als Richter, im folgenden Jahr wurde er nach Bruck a.d. Mur versetzt. Seit dem Jahr 1935 war er als Staatsanwalt tätig: zunächst in Graz, ab Juli 1935 in Wien; hier war er „hauptsächlich in wirtschaftlichen Strafsachen“ eingesetzt (Lebenslauf vom 9. September 1946).

Da die Familie seines Vaters jüdischen Glaubens war, war seine Berufstätigkeit im öffentlichen Dienst mit dem ‚Anschluss‘ Österreichs an das ‚Dritte Reich‘ und der Nazifizierung Österreichs abrupt zu Ende. Zunächst wurde er beurlaubt, Mitte April 1939 zwangspensioniert.

In dieser problematischen Situation schrieb er sich im Wintersemester 1938/39 an der Hochschule für Welthandel ein. Deren Diplomstudiengang belegte er bis zum Herbst-Trimester 1940 sechs Semester lang; dabei wurden ihm drei Semester des Grazer Jus-Studiums angerechnet. Nachdem er die Diplomprüfung mit gutem Erfolg bestanden hatte, wurde ihm die Diplomurkunde am 29. Januar 1940 ausgefertigt.

Wegen seiner jüdischen Abstammung wurde er in der NS-Zeit ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche in seiner Hochschulausbildung in dreifacher Hinsicht diskriminiert: Erstens galt sein Studium an der „Welthandel“ nur „unter Vorbehalt“. Zweitens war er gezwungen, eine Erklärung zu unterschreiben, in der er wie alle Personen, die im Sinne der Nürnberger Rassegesetzen (1935) als ‚Mischlinge‘ galten, anerkannte, dass die Diplomurkunde „nicht zur Erlangung eines öffentlichen Amtes im Gebiete des Deutschen Reiches“ berechtige. Damit unterlag Porias aufgrund der fundamental rassistischen Rechtssetzung des ‚Großdeutschen Reiches‘ faktisch einem Berufsverbot. Drittens wurde ihm durch das Reichsministerium für Erziehung, Wissenschaft und Volksbildung (Berlin) im zweiten Semester das Weiterstudium der Chemie untersagt, das er 1940 an der Universität Wien aufgenommen hatte.

Das faktische Berufsverbot im öffentlichen Dienst, das für einen ausgebildeten Juristen ein existenzielles Problem darstellte, führte Porias nolens volens in die Privatwirtschaft. So verdiente er ab Mai 1940 seinen Lebensunterhalt in einem Großhandelsunternehmen und arbeitete nebenberuflich als rechtskundiger Sachbearbeiter in einer Patentanwaltskanzlei (Lebenslauf vom 9. September 1946).

Gleich nach dem Krieg hat er erneut an der ‚Welthandel‘ inskribiert. Im Sommersemester 1945 und im Wintersemester 1945/46 hat er zwei weitere Semester absolviert, allerdings ohne mit der Promotion abzuschließen. Vermutlich ließen ihm die beruflichen Verpflichtungen nicht die Zeit, den Grad eines Doktors der Handelswissenschaften zu erwerben. Denn bereits im April 1945, also noch vor der Gesamtkapitulation der deutschen Wehrmacht, wurde er zur Staatsanwaltschaft Wien berufen, und ab Juli 1945 war er im Österreichischen Patentamt tätig. Außerdem gründete er zusammen mit seiner Ehefrau Vera Clementine Porias (15. Mai 1910 bis 26. April 1996, geborene Pichler) und drei weiteren Personen die Alpenländische Hotel- und Kuranstalt AG mit Sitz am damaligen Stalinplatz 4 (heute Schwarzenbergplatz) im dritten Wiener Gemeindebezirk (Wiener Zeitung vom 2. März 1948, S. 5).  

Am 22. Dezember 1992 verstarb Hanns Porias im Alter von 89 Jahren. Acht Tage später wurde auf dem Friedhof Hietzing beigesetzt. In demselben Grab ruhen sein Vater Ernst, seine Mutter Margarethe, seine Frau Vera sowie deren Eltern Franz Pihler (30. März 1879 bis 14. März 1971) und Franja Pihler (12. Mai 1881 bis 11. November 1970) sowie ihr Bruder Dr. Franz Pichler (31. Juli 1906 bis 7. Oktober 1974).

Nicht nur Hanns Porias selber war von den Folgen des ‚Anschlusses‘ betroffen. Seine spätere Frau Vera durfte in der NS-Zeit nicht mehr als zwei Semester als außerordentliche Hörerin an der Hochschule für Welthandel verbringen, da sie keinen Ariernachweis vorlegen konnte. Und zwei Familienangehörige, die Hanns 1946 für tot erklären ließ, sind Opfer der Shoah geworden: Carl Porias (geb. 18. März 1870 in Lukawec) wurde am 28. Juli 1942 mit seiner Frau Elisabeth (geb. 18. Oktober 1881 in Wien, Mädchenname Schuloff) aus der gemeinsamen Wohnung in der Porzellangasse 45/20 (9. Wiener Gemeindebezirk) mit Transport 34 ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Hier starben die Verwandten von Hanns Porias am 21. März 1943 bzw. 9. Dezember 1942 „an Entkräftung“.

 

Autor: Johannes Koll

Quellenhinweise

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Studierendenkarteikarte, Protokoll über die erste (allgemeine) Prüfung an der Hochschule für Welthandel, Bd. 4, Bl. 82 und Diplomprüfungsliste Hanns Porias.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Studierendenkarteikarte Vera Porias (geborene Pichler).
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Präsidialakten 1946/183, Lebenslauf von Hanns Porias vom 9. September 1946.
Neues Wiener Tagblatt, 64. Jg., Nr. 333 und Reichspost. Unabhängiges Tagblatt für das christliche Volk, 37. Jg., Nr. 335, beide vom 4. Dezember 1930.
Herbert Posch: Hanns Porias, in: Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938, https://gedenkbuch.univie.ac.at/index.php?id=435&person_single_id=41063 [1. August 2019].
Wiener Zeitung, 241. Jg., Nr. 52 vom 2. März 1948.
Friedhöfe Wien, Verstorbenensuche: http://www.friedhoefewien.at/eportal/ [1. August 2019].
Wiener Zeitung, 239. Jg., Nr. 76 vom 30. März 1946.
Yad Vashem: The Central Database of Shoah Victims' Names (http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=de ) [1. August 2019], ID 4938044 (Carl Porias) und ID 4771872 (Elisabeth Porias).

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