Dr. Dkfm. Franz Josef Maria Krusche
- Geb. am} 8.0.1903
- Geburtsort: Wien
- Kategorie: Aberkennung akad. Grade
- Heimatberechtigung: Wien (Wien), Österreich
- Staatsbürgerschaft: Österreich
Franz Josef Maria war der Sohn von Aloisia (geboren am 16. April 1873 im böhmischen, heute tschechischen Horschitz/Hořice, Mädchenname Novák) und von Franz Josef Krusche (geboren am 9. Juni 1874 in Wien), der in der Aegidigasse 6 (6. Wiener Gemeindebezirk) ein Juweliergeschäft führte. Er kam in der Zieglergasse 34a (7. Bezirk) auf die Welt und wurde am 20. September 1903 in der Wiener Schottenfeldkirche (7. Bezirk) nach römisch-katholischem Ritus getauft.
1923/24 hat sich Krusche jun. für das sogenannte Lehrerseminar eingeschrieben, das die Hochschule für Welthandel für die Ausbildung von Handelslehrern anbot. Im Sommersemester 1925 war er als außerordentlicher Hörer, zwischen Wintersemester 1927/28 und Sommersemester 1929 als ordentlicher Hörer inskribiert. Im Mai 1930 hat er nach insgesamt sechs Semestern erfolgreich die Diplomprüfung abgelegt. Anschließend hat Krusche im Sommersemester 1931 und im Sommersemester 1933 das für die Promotion vorgeschriebene siebte und achte Semester absolviert. Im Juli 1935 wurde er dann mit einer Dissertation über das Thema Der Standort des Wiener Einzelhandels. Eine Untersuchung der Betriebsdichte zum Doktor der Handelswissenschaften promoviert.
Nach der Promotion arbeitete Krusche zunächst in der Buchhaltung einer Molkerei in Gföhl (Niederösterreich). Anschließend war er in der Generaldirektion der Bundesbahnen Österreich sowie ab 1935 als kaufmännischer Beamter bei der Österreichisch-Alpinen Montangesellschaft (heute voestalpine AG) tätig.
Schon im April 1938, also sehr bald nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich, wurde Krusche aus dem Dienst der Bundesbahnen, in den er 1937 nach zwei Jahren Tätigkeit für die Montangesellschaft zurückgekehrt war, entlassen. Der Grund lag in seiner engen Verbindung zum Katholizismus und zum sogenannten Ständestaat. So war Krusche Mitglied der Vaterländischen Front gewesen, die unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg zur Einheitspartei des austrofaschistischen Staatswesens aufgebaut worden war. Außerdem hatte er seit Beginn seines Studiums im Wintersemester 1923 der Katholischen Deutschen Studentenverbindung „Pflug“ angehört, die Ende Mai 1921 als Tochterverbindung der 1908 gegründeten Franco-Bavaria an der Wiener Hochschule für Bodenkultur ins Leben gerufen worden war und sich dem Österreichischen Cartellverband der Katholische-Deutschen Farbentragenden Studentenverbindungen (CV) angeschlossen hatte. Ihr Wahlspruch lautete „Für Gott, Ehre, Freiheit, Vaterland!“ (Doeberl u.a. 1931, S. 1060 und 1058) Als verbindungsinternen Namen (Kneipnamen) wählte Krusche „Hagen“ (Personalstandesblatt vom 26. März 1947). An der Gründung von „Pflug“ war der christlichsoziale Politiker Friedrich (genannt: Fritz) Stockinger beteiligt gewesen, der zwischen Mai 1933 und November 1936 österreichischer Minister für Handel und Verkehr gewesen war. Seinen Lebensunterhalt verdiente Krusche vermutlich dadurch, dass er im Juweliergeschäft seines Vaters Anstellung fand.
Das Verhältnis zu Stockinger brachte Krusche nach dem „Anschluss“ Österreichs in Konflikt mit dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat. Unter dem Vorwurf, er habe Stockinger nach dessen Flucht aus dem Großdeutschen Reich in Paris besucht, wurde Krusche im Juli 1939 im Anschluss an eine Hausdurchsuchung von der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet und im "Grauen Haus", dem Gefängnis des Wiener Landesgerichts, interniert. Die Anklage warf ihm vor, im Kontext seiner konspirativen Kontakte zu Stockinger und dessen Vertrauten in Ungarn und in der Schweiz die Meinung vertreten zu haben, dass das NS-Regime „nicht mehr von langer Dauer sein könne“. Dies wurde als Verstoß gegen Art. 1, § 1 des Gesetzes gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform gewertet, mit dem das totalitäre NS-System seit 1934 auf pseudolegalem Weg jede Kritik und jeden Widerstand im Keim ersticken wollte. In dem genannten Paragraphen hieß es unter anderem: "Wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reichs oder das Ansehen der Reichsregierung oder das der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei oder ihrer Gliederungen schwer zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere Strafe angedroht ist, mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn er die Behauptung öffentlich aufstellt oder verbreitet, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft." Auf dieser Grundlage wurde Krusche am 28. Dezember 1939 wegen Widerstands gegen das nationalsozialistische Regime zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt.
Der damalige Rektor der Hochschule für Welthandel Kurt Knoll nahm das Urteil am 24. September 1940 zum Anlass, bei Reichserziehungsminister Bernhard Rust die Aberkennung von Diplom- und Doktorgrad zu beantragen. Diesem Ansinnen gab der Minister am 25. Oktober 1940 statt. Dabei berief er sich auf das Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939. In dessen § 4 hieß es, dass ein akademischer Grad durch eine deutsche Hochschule wieder entzogen werden konnte, "wenn sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung eines akademischen Grades unwürdig erwiesen" habe. Dies war mit der Verurteilung auf Grund des oben genannten Heimtückegesetzes der Fall. Ein Ansuchen um Aufhebung dieser Entscheidung, das Krusche nach der Haftentlassung (13. Januar 1941) stellte, wurde am 29. August 1941 vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Berlin) zurückgewiesen, nachdem sich Knoll entschieden gegen Krusches Antrag ausgesprochen hatte.
Nach der Entlassung aus der Haft kehrte Krusche nicht in seine frühere Wohnung in der Mariahilfer Straße 152/6 (14. Wiener Gemeindebezirk) zurück, sondern bezog für dreieinhalb Wochen die Wohnung Göttweihergasse 12/10 (1. Bezirk). Anschließend begab er sich in den Pinzgau (Gau Salzburg), wo er im Molkereiverband tätig war.
Eigenen Angaben nach meldete Krusche sich 1941 zur Wehrmacht, die ihn wohl in Frankreich und Belgien einsetzte. Aktenkundig geworden ist ein Aufenthalt im Luftwaffenlazarett in Wels (Gau Oberdonau), zu dem er im Oktober 1941 – damals im Rang eines Kanoniers, also des niedrigsten Rangs eines Artilleriesoldaten – von seiner Einheit, der Stabsbatterie schwere Flak-Ersatz-Abteilung 38 mit Standort in Linz (Oberdonau), überstellt wurde. Auch ist belegt, dass er – nun als Obergefreiter der gemischten Flakabteilung 553 – in amerikanische Kriegsgefangenschaft kam, als die Truppen der westlichen Alliierten im März 1945 den Rhein überquerten.
Nachdem er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden war, verdingte sich Krusche zunächst in einer Apotheke in Feldkirch (Vorarlberg), wo er mit Rezepttaxierungen betraut war. Möglicherweise ging er von hier aus nach Innsbruck. In der Tiroler Landeshauptstadt war er zeitweilig in der Verwaltung der Österreichischen Bundesbahnen tätig; gemeldet war er in der Kaiser Franz Josefstraße 14.
Ende Dezember 1946 kehrte Krusche nach Wien zurück. Hier fand er in der Göttweihergasse 1/2/10 Unterkunft. Die Wohnung teilte er sich mit der Familie seiner Schwester Louise, die Dr. Friedrich Krieger geheiratet hatte. Ab November 1948 war Krusche mit seiner Ehefrau Olga (geboren am 11. August 1904 im mährischen Zwittau/Svitavy, Mädchenname Piffl) in der Ebendorferstraße 3/1/14 (1. Bezirk) gemeldet. Olga hatte er über Fritz Stocker, der auch bei der kirchlichen Hochzeit am 29. Juni 1930 in einer Kapelle des Wiener Stephansdoms als Trauzeuge fungierte, kennengelernt. Die Ehe wurde Ende November 1967 geschieden.
Wegen der 18-monatigen Haftstrafe, die rechtsstaatlichen Prinzipien widersprochen hatte, wurde Krusche auf der Grundlage des Opferfürsorgegesetzes vom 4. Juli 1947 als Opfer nationalsozialistischer Verfolgung anerkannt. Bereits bald nach Kriegsende wurde ihm von der Hochschule für Welthandel der Doktortitel wieder zuerkannt (vom Diplomgrad war hier allerdings nicht explizit die Rede), und zwar rückwirkend zum 16. Oktober 1941. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Professorenkollegium auf seiner Sitzung vom 28. Juli 1945; dabei stützte es sich auf Verordnung 78/1945 des österreichischen Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kulturangelegenheiten. Die entsprechende Mitteilung, die Rektor Franz Dörfel am 16. August 1945 auf einem wenig ansprechenden, durchlöcherten Briefpapier versandte, konnte aber nicht zugestellt werden, da Krusche zu diesem Zeitpunkt nicht in Wien wohnte. Recherchen nach Krusches aktueller Adresse scheint die Hochschule nicht veranlasst zu haben. Bis zum 17. April 2015 lagerte der Brief des Rektors jedenfalls ungeöffnet im Universitätsarchiv der WU Wien.
Nach dem Krieg war Dr. Dkfm. Franz Krusche in den österreichischen Bundesministerien für Inneres und für Verkehr tätig. Zuletzt war er im Rang eines Ministerialrats für die Bundesbahnverwaltung zuständig.
Er starb am 13. Dezember 1967 in einem Altersheim in Klosterneuburg. Seine letzte Ruhestätte fand er in Altlengbach.
Autor: Johannes Koll
Bilder
Quellenhinweise
Geburts- und Taufbuch der Pfarre Schottenfeld vom Jahre 1903, Bl. 80, Matricula Online, https://data.matricula-online.eu/de/ [18. Juni 2020].
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Studierendenkarteikarte, Absolventenbuch 1927-1931, Nr. 759 sowie Karteikarten-Sonderbestand "Disziplinarmaßnahmen 1934 ff.".
Bundesarchiv Berlin, R 4901/25828.
Doeberl, Michael/Otto Scheel/Wilhelm Schlink/Hans Sperl/Eduard Spranger/Hans Bitter/Paul Frank: Das akademische Deutschland, Bd. 2: Die deutschen Hochschulen und ihre akademischen Bürger, Berlin 1931.
Gerhard Hartmann: Friedrich Stockinger, in: Biographisches Lexikon des Österreichischen Cartellverbands, http://www.oecv.at/Biolex/Detail/11600340 [Stand: 12. Dezember 2017, Zugriff: 25. Mai 2018].
Personalstandesblatt der Verbindung Franco-Bavaria vom 26. März 1947, Privatbesitz MR Prof. Dr. Peter Wilhelm Krieger.
Trauungs-Buch von St. Stephan 1930, Bl. 407, Matricula Online, https://data.matricula-online.eu/de/ [18. Juni 2020].
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Protokoll der Sitzung des Professorenkollegiums vom 28. Juli 1945.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Präsidialakte Zl. 80/1945.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Protokoll des Professorenkollegiums vom 9. März 1946, Zl. 390/46.
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA 8 – B-MEW – 755043/2013.
Schreiben GZ PA 2 – 2020/A-6460 von Michael Hemmler (Bundesarchiv Berlin) an PD Dr. Johannes Koll vom 22. September 2020.
Österreichischer Schreibkalender 1949 – „Der alte Krakauer Schreibkalender“, 307. Jahrgang, Ausgabe B für Wien, Wien 1948, S. 83 und 100 f.
Österreichischer Schreibkalender 1950 – „Der alte Krakauer Schreibkalender“, 308. Jahrgang, Wien 1949, S. 68.
Telefonisches Interview mit MR Prof. Dr. Peter Wilhelm Krieger [Neffe von Krusche] und dessen E-Mail an PD Dr. Johannes Koll, beides vom 8. Mai 2020.
E-Mail Marktgemeinde Altlengbach an Mag. Karl Wolfgang Schrammel vom 5. Juni 2018.