Dr. Dkfm. Felix Glattauer (später Gladwin)

  • Geb. am} 26.0.1911
  • Geburtsort: Wien
  • Kategorie: Aberkennung akad. Grade
  • Heimatberechtigung: Wien (Wien), Österreich
  • Staatsbürgerschaft: Österreich

Wie seine Schwester Edith (geb. 22. Mai 1916 in Wien) entstammte Felix (auch Felix Frederick) der Ehe von Hugo Glattauer (5. November 1879 in Mikulov/Nikolsburg bis 10. Oktober 1949 in Sidney) und Elsa (geb. 5. April 1889 in Wien, Mädchenname Haas), die am 26. Juni 1910 in Wien-Mariahilf geheiratet hatten.

Im Anschluss an den Besuch der Realschule im 4. Wiener Gemeindebezirk war Felix zwischen dem Wintersemester 1928/29 und dem Sommersemester 1932 an der Wiener Hochschule für Welthandel für den Diplomstudiengang inskribiert. Nachdem er diesen Studiengang innerhalb der vorgesehenen sechs Semester erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde er im Dezember 1933 an derselben Hochschule zum Doktor der Handelswissenschaften promoviert. Bis zum 'Anschluss' Österreichs war Felix Glattauer als Prokurist in der Firma seines Vaters tätig, der Ungarischen Weinbau GmbH Nachf. Hugo Glattauer. Sie befand sich im 10. Wiener Gemeindebezirk (Wien-Favoriten) am damaligen Ostbahnhof (heute Gelände des Hauptbahnhofs) und verschrieb sich „dem Handel und dem Ausschank hauptsächlich ungarischer Weine“, als Hugo 1910 Geschäftsführer wurde.

Zum September 1938 wurde Glattauer entlassen, später wurde die väterliche Firma liquidiert. Als Jude war Glattauer gezwungen, bei der sogenannten Vermögensverkehrsstelle, einer Rauborganisation des NS-Staates, eine Aufstellung aller Vermögenswerte abzugeben. Im Auftrag der Reichsstatthalterei Wien wurde sein Vater vom NS-Funktionär Friedrich Peichl ab 1940 gezwungen, Eigentum wie Liegenschaften und Aktien zu veräußern. Angesichts der systematischen Verfolgung der jüdischen Bevölkerung nach dem 'Anschluss' gab Felix Glattauer im Dezember 1938 die Wohnung in der Mayerhofgasse 1/11 (4. Wiener Gemeindebezirk) auf. Sie befand sich in dem 1907 erbauten vierstöckigen Haus an der Ecke zur Favoritenstraße, das sein Vater 1923 gekauft hatte.

Es gibt Hinweise, dass Felix und seine Familie zunächst nach Palästina geflüchtet sind. Letztlich gelang es Familie Glattauer, nach Australien zu emigrieren, einem der Dominions des britischen Reiches. Zumindest für Hugo, Elsa und Edith Glattauer hatte bereits am 19. April 1938 ein Richard Tritsch von Sydney aus beim australischen Innenministerium den Antrag gestellt, diese verfolgte Familie aus Wien in Australien einzulassen. Es sollte jedoch noch bis zum 27. Juli 1939 dauern, ehe die genannten drei Personen per Flugzeug Darwin, die Hauptstadt des Northern Territory, erreichten. Felix hingegen war am 6. Mai 1939 auf dem britischen Postschiff Niagara in der australischen Hauptstadt Sydney angekommen.

In der neuen Heimat Australien nahm Edith im Gefolge einer Eheschließung den Nachnamen Bowmer an. Im März 1944 und im Oktober 1947 gebar sie in der australischen Haptstadt zwei Töchter (Evelyn Rae Charlotte und Robyn Ann). Felix wählte im australischen Exil Gladwin als seinen neuen Nachnamen. Am 24. September 1950 heiratete er in der Großen Synagoge von Sydney (Elizabeth Street) Lucy, die am 7. Mai 1928 als Tochter von Wilhelm Fertig (3. Juli 1889 bis 29. September 1955) und Regina Fertig (1899 bis 4. Juli 1973, Mädchenname Rosthal) in Borysław (Woiwodschaft Łódź) geboren worden war und mit Roma Fertig (geb. 6. April 1922 in Lemberg/Lwow) eine Schwester hatte, die später Henek Herman (Zvi) Stramer (1. Juni 1919 in Krakau bis 10. August 1988 in Tel Aviv) heiratete. Mit Lucy hatte Felix drei Kinder (Henry, Janet und Debbie). Das Ehepaar dürfte sich in Australien der progressiven jüdischen Kongregation Temple Beth Israel angeschlossen haben; diese gedachte Felix und Lucy Gladwin in einem 2020 veröffentlichten Buch. 1956 wurde Felix Gladwin Präsident der jüdischen Loge B’nai B’rith in Sydney. 1953 gelang es Edith und Felix, Liegenschaften in Wien-Favoriten im Umfang von über 1.700 m2, die sie von ihrem Vater Hugo geerbt hatten, an die Stadt Wien zu verkaufen.

Seinen Lebensunterhalt verdiente Felix als Direktor der Sydneyer Firma Wilmers & Company, in die er im Frühjahr 1940 zusammen mit seinem Vater Hugo als einer von vier Inhabern eingetreten war und die 1947 ihren Namen in Wilmers & Gladwin änderte. Als dieses Unternehmen im April 1961 von der Packaging and Printing Industries Limited übernommen wurde, wurde Felix Gladwin der Vorsitzende von deren Direktionsrat und einer der Geschäftsführer. Seine Wohnadresse in Dover Heights, einem Vorort von Sydney, war 2a Kippara Road.

Die Emigration der jüdischen Familie Glattauer führte nicht nur – wie üblich im nationalsozialistischen Deutschland – dazu, dass Felix, seinen Eltern und seiner Schwester die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wurde. Die Hochschule für Welthandel sorgte 1941 auch dafür, dass „dem Juden Felix Israel Glattauer“ der Diplom- und Doktorgrad aberkannt wurde, nachdem Rektor Kurt Knoll (29. Oktober 1889 in Parschnitz bis 28. Juli 1959 in Wien) vom Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (Berlin) über Felix‘ unfreiwillige Ausreise aus dem ‚Großdeutschen Reich‘ informiert worden war. Die rechtliche Grundlage hierfür bildete das Gesetz über die Führung akademischer Grade vom 7. Juni 1939. In dessen § 4 hieß es, dass ein akademischer Grad durch eine deutsche Hochschule wieder entzogen werden konnte, "wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Inhaber der Verleihung eines akademischen Grades unwürdig" gewesen sei oder sich "durch sein späteres Verhalten der Führung eines akademischen Grades unwürdig erwiesen" habe. Aus Sicht des NS-Regimes war dies der Fall, sobald ein Jude oder eine Jüdin emigrierte.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Glattauer der Doktortitel wieder zuerkannt. Einen entsprechenden Beschluss fasste das Professorenkollegium auf seiner Sitzung vom 28. Juli 1945; dabei stützte es sich auf Verordnung 78/1945 des österreichischen Staatsamtes für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kulturangelegenheiten. Ab dem 16. August 1945 durfte Glattauer den Titel erneut offiziell tragen.

Die Erneuerung der Verleihung des Doktorats der Handelswissenschaften, die nach dem Universitätsorganisationsgesetz 1975 aus Anlass des 50. Promotionsjubiläums möglich gewesen wäre, „wenn dies im Hinblick auf die besonderen wissenschaftlichen Verdienste, das hervorragende berufliche Wirken oder die enge Verbundenheit des Absolventen mit der Universität gerechtfertigt“ gewesen wäre (§ 98), unterblieb – ähnlich wie bei Ernst Steiner – in seinem Fall.

Am 30. Januar 1977 ist Felix Gladwin alias Glattauer gestorben. Er ruht im selben Grab auf der Rockwood Necropolis in Sydney wie seine Frau Lucy, die am 8. Juli 2009 gestorben ist.

 

Autor: Johannes Koll

Quellenhinweise

Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Studierendenkarteikarte sowie Karteikarten-Sonderbestand "Disziplinarmaßnahmen 1934 ff.".
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GenTeam. Die genealogische Datenbank, http://www.genteam.at [13. Juni 2024], Index der jüdischen Matriken Wien und Niederösterreich zur Eheschließung von Hugo und Elsa Glattauer.
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