Dfkm. Erwin Grossmann (eigentlich: Grohsmann)
- Geb. am} 1.0.1920
- Geburtsort: Wien
- Kategorie: Doktorratsstudiengang
- Heimatberechtigung: Wien (Wien), Österreich
- Staatsbürgerschaft: Österreich / Deutsches Reich
Nach dem Besuch der Handelsakademie Wien I (Akademiestraße 12) war Erwin Grohsmann, dessen Nachname in historischen Quellen gelegentlich auch als ‚Grossmann‘ wiedergegeben wird, zwischen Wintersemester 1938/39 und Herbsttrimester 1940 sieben Semester an der Hochschule für Welthandel inskribiert. Hier legte er Ende September 1940 die Diplomprüfung ab. Bereits Mitte Februar 1941 reichte er an derselben Hochschule seine Doktorarbeit über Die Lohnfrage im Wandel der Zeit ein. Obwohl sie von seinen beiden Gutachtern jeweils mit ‚gut‘ benotet wurde, wurde Grohsmann "mangels Abstammungsnachweis" nicht promoviert. Mittlerweile war nämlich bekannt geworden, dass Grohsmann, der während des Studiums mit seiner Mutter Leopoldine in der Schlösselgasse 14/17 (8. Wiener Gemeindebezirk) lebte, ungeachtet seiner Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche nach nationalsozialistischer Auffassung als 'Mischling ersten Grades' galt. Dass er seine Abstammung von jüdischen Vorfahren bisher verschwiegen und sich "stets als Arier ausgegeben" hatte, galt für NS-Rektor Kurt Knoll als Beleg dafür, dass er sich die Zulassung zum Hochschulstudium "erschwindelt" habe.
Wie Grohsmann den weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs überlebt hat, ist nicht bekannt. Seine eigene kryptische Aussage, er habe sich „als aktiver Kämpfer der österreichischen Freiheitsbewegung“ betätigt, ist weder auszuschließen noch durch Quellen zu belegen.
Nach der Befreiung Wiens von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft wurde Grohsmann von der sowjetischen Militärverwaltung zum kommissarischen Leiter der Hochschule für Welthandel ernannt. In dieser Funktion setzte er sich für einen Neuaufbau ein; außerdem hielt er im Sommersemester 1945 eine Vorlesung über allgemeine Betriebslehre. Am 25. Mai 1945, also drei Tage vor dem Beginn des Vorlesungsbetriebs im Sommersemester, übergab Grohsmann die Leitungsfunktion an Franz Dörfel als dem ersten Nachkriegsrektor, der der ‚Welthandel‘ bereits unter dem Austrofaschismus und kurzzeitig unter dem Nationalsozialismus vorgestanden hatte. Am 5. Juni 1945 bekundete Dörfel schriftlich gegenüber Grohsmann, dass dieser „in den ersten Tagen nach der Befreiung Wiens durch die Rote Armee (…) so viel für die Hochschule für Welthandel getan“ habe, „dass Ihr ehrendes Andenken wohl für immer in den Annalen unserer Hochschule aufrecht bleiben wird.“
Die Wertschätzung geriet allerdings bald danach dadurch ins Wanken, dass Grohsmann im Sommer 1945 verhaftet wurde. Ihm wurde vorgeworfen, widerrechtlich Kunst- und andere Gegenstände aus einer Wohnung in der Josefstädter Straße (8. Bezirk) verscherbelt zu haben, die ihm von der sowjetischen Armee zugewiesen worden war. Am 4. April 1946 wurde er deswegen vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu zehn Monaten schweren Kerkers verurteilt, „verschärft durch ein hartes Lager monatlich.“ Die Nichtigkeitsklage, die Grohsmann daraufhin einlegte, wurde vom Oberlandesgericht am 23. Oktober 1946 zurückgewiesen; damit war das Urteil wohl rechtskräftig.
Vor dem Hintergrund der gerichtlichen Verurteilung wurde Grohsmann 1951 der Grad des Diplomkaufmanns, den er 1940 an der ‚Welthandel‘ erworben hatte, aberkannt. Sein Ansuchen, nach Verbüßung der Haftstrafe diesen akademischen Grad wiederverliehen zu bekommen, wurde im Juni 1959 vom Professorenkollegium der Hochschule abgelehnt. Vermutlich in demselben Zusammenhang ist zu sehen, dass sein Antrag vom Herbst 1951 auf Zulassung zur Promotion abgelehnt wurde. Sein Antrag auf Habilitierung war schon 1946 im Sande verlaufen.
Abgesehen von den dargestellten Verbindungen zur Hochschule für Welthandel, dem Gerichtsverfahren von 1946 und der Tatsache, dass Grohsmann zeitweilig Präsident der Kammer österreichischer Diplomkaufleute war, ist seine berufliche Entwicklung in der Nachkriegszeit nicht lückenlos rekonstruierbar. Einträge im Nachschlagewerk Compass belegen, dass er in Wien ab 1955 bis kurz vor seinem Tod im Lebensmittelhandel tätig war (nacheinander im 6., 4., 8. und 14. Bezirk).
Im Juli 1953 ehelichte Grohsmann Anna Maria Anzengruber (geb. 5. Mai 1921 in Stiedelsbach bei Losenstein). Am 21. Januar 1997 wurde er auf dem Friedhof Wien-Hütteldorf bestattet. Hier ruht er mit seiner Gattin.
Autor: Johannes Koll
Quellenhinweise
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Studierendenkarteikarten Grossmann und Grohsmann.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Protokolle zu den Sitzungen des Professorenkollegiums.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Präsidialakt 1946/42.
Wirtschaftsuniversität Wien, Universitätsarchiv, Personalakt Erwin Grohsmann.
Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, 02 Unterricht/Kurator d. wiss. Hochsch. Wien (Kart. 13)/GZ 5301 ex 1940-1943 (nach Brief von Dr. Herbert Posch und Katharina Kniefacz [Universität Wien] an Dr. Johannes Koll [Wirtschaftsuniversität Wien] vom 13. Februar 2013).
Meldeauskunft des Wiener Stadt- und Landesarchivs, GZ MA 8 – B-MEW – 625580/2013.
Compass, diverse Bände von 1955 bis 1996/97.
Friedhöfe Wien, Verstorbenensuche: http://www.friedhoefewien.at/eportal/ [30. August 2013].